Waibschder Käskuchen

Eine besondere Eigenheit Kraichgauer Humors sind die Ortsneckereien. Fast jedes Kraichgauer Dorf hat seine eigene, meist unverwechselbare Geschichte, die den Bewohnern bis auf den heutigen Tag aienen Übernamen eingebracht hat, z. B.: Sinsemer Wetzstoispuker, Bischessemer Briggehossler, Eschelbronner Stegstrecker, Epfelbacher Kiestumpe. So müssen sich die Waibstadter auch als "Waibschder Käskuche" uzen lassen. Dieser Uzname wurde vor über 100 Jahren im Gasthaus zum Goldenen Adler während der Kirchweih in Neidenstein geboren. Schulrat Karl Ziegler hat in seiner Ortchronik jenes Geschehen glossiert:

Frau backt Käsekuchen

Damals wirtete im "Adler" ein Friedrich Ziegler. Er betrieb auch eine Bäckerei und war als tüchtiger Mann bekannt. Aber wir müssen zunächst vom Wetter erzählen, den das Wetter war die Ursache de "tragischen" Ereignisse. Die erste Oktoberhälfte brachte andauernd prachtvolle Herbsttage. Tag um Tag schien die Sonne. Ein linder Wind trug die Fäden des "Altweibersommers" durch die Gassen und über die Fluren. Die Arbeit im Feld ging rasch voran. Die Kartoffeln und Wurzeln lagen trocken im Keller. Die Hauptarbeit war somit getan. Man durfte verschnaufen. Alt und jung war froh gestimmt, stand doch die Kerwe vor der Tür. Alles sprach dafür, daß der hohe wltliche Festtag in diesem Jahr gebührend gefeiert werden konnte. Die Wirte hatten ihre Vorbereitungen in der Erwartung zahlreicher Gäste getroffen.

Original Waibstadtrezept

Der Adlerwirt-Bäcker musste bei solch herrlichem Wetter mehr den je mit dem Besuch treuer Kerwe-Kunden aus Waibstadt rechnen. Die "Städter" schätzten nämlich sein Spezialgebäck besonders hoch. Das waren kleine runde Hefeküchlein mit fingerdicker Käseauflage, die in frischem Zustand köstlich mundeten. Das wußten neben den Erwachsenen auch die Waibstadter "Kinn" (Kinder), und sie kamen stets in Scharen, um sich, das Stück zu einem Kreuzer, damit ausgiebig "einzudecken".

In der "Oberstube" lagen die Küchlein in Reih und Glied, zum Abruf bereit. Gezählt hatte er sie nicht der Adlerwirt. Aber sicherlich waren es weit über hundert; am Samstagmorgen hatte er, vorausschauend, noch einmal einen Backofen voll dazu getan.

Das Wetter am Samstag war wiederum strahlend schön. Der Himmel war ganz blau, kein Lüftchen regte sich, und die grellgelben Wipfel der Pappeln standen bewegungslos im gleißenden Licht der Herbstsonne. Und morgen ist Kerwe!

In der Nacht zum Sonntag wurde der Adlerwirt durch das Klappern eines Fensterladens geweckt. Er schaute nach. Beim Öffnen des Fensters schlug ihm ein heftiger, kalter Wind entgegen. Tiefhängende Wolken jagten durch das Dorf, und bald hörte er das Rauschen eines starken Regens. Und morgen ist Kerwe!

Am Sonntag regnete es in Strömen weiter. Der Montag war nicht besser, der Bach führte sogar Hochwasser. Die auswärtigen Gäste blieben aus, und die Kuchen waren gebacken. Die Einheimischen kauften sie nicht, weil sie Kerwegebäck aller Art in Fülle zuhause hatten. Der Adlerwirt zeigte sich nicht in der Wirtsstube. Mißstimmt hockte er vor dem warmen Backofen und las im "Lahrer Hinkenden Boten". Am Dienstag und Mittwoch vollzogen sich die täglichen Arbeiten in Haus und Hof bei anhaltendem Regen. Und siehe! Donnerstags leuchtete die Sonne wieder am wolkenlosen Himmel!

Frau backt Waibstadter Käskuchä

Festen Schrittes stieg der Adlerwirt hinauf in die "Oberstube". Dort lagen sie, seine mißachteten Küchlein, trocken und mit "Haaren" auf der einst goldgelben Oberfläche. Das Blut stieg ihm zu Kopf, die Stirnadern schwollen an und ein leichtes Zittern befiel seine Hände. Er musste etwas tun, sonst hätte es ihn "zerrissen".

Und er handelte: Mit einem Ruck riß er die Fensterflügel auf, und schwupp segelte ein Küchlein gleich einer "fliegenden Untertasse" hinaus in den klaren Herbstmorgen. Und schwupp und schwupp folgten Stück um Stück, begleitet vom Gemurmel des Bäckers: "Da, ihr Waibster und da, ihr Waibster". Er ließ nicht ab, bis auch der letzte "Diskus" geschleudert war. Sichtlich erleichtert, trocknete er sich die heiße Stirn ab und schloß das Fenster mit den befreienden Worten: "So ihr Waibster, do hetter eiern Käskucher!"(da habt ihr euren Käsekuchen).

Ein Schmankerl für den Leser dieser Seite: Klicken sie mit der Maus auf das Waibschdä Käskuchä Rezept. Es lässt sich ausdrucken und nachbacken.